Trailrunning: Schinder - Erzherzog-Joh.-Klause

Winni Mühlbauer - Trailrunning - Schinder Erzherzog-Johann-Klause: 28.09.17


28.9.17
Trailsummaend
Winni

Ich fahre los, schalte den Verkehrsfunk ein und höre noch das Ende der Warnung ... 10km Stau, ein Hubschrauber landet gerade. Hm! Wird doch nicht die Autobahn nach Salzburg betreffen? Volltreffer. Mit eineinhalb Stunden Verspätung komme ich im Valepp an. Ich bin unterwegs auf der engen Mautstraße, wo man Angst haben muss, dass einem verrückte MTB-ler entgegenrasen, oder noch schlimmer, der fette rote Bus um die Kurve kurvt, der hier auch unterwegs ist. Aber weder das eine noch das andere passiert. Dafür wird die Landschaft im herbstlichen Kostüm immer berauschender. Ich steige aus, atme tief durch. Die Luft ist feucht und mild. Ich mache ein Foto. Vergessen die zweieinhalb Stunden Fahrt.

300m vor dem Forsthaus Valepp (geschlossen) parke ich. Jetzt stehen drei Autos da. Es ist Donnerstag. Noch ein Münchner, ebefalls im Stau gestanden, macht sich vor mir auf. Den hole ich rasch ein, der sanft ansteigende Singletrail ist gut laufbar. Er macht ein paar Fotos. Insgesamt begegnen mir auf der heutigen 24km-Runde fünf Menschen. Ich sauge die feuchte Luft im lichten Mischwald auf und bin froh, endich wieder in den Bergen zu sein. Genauer, in den Brandenberger Alpen zwischen Achensee, Inntal und den Bayerischen Voralpen. Höchster Gipfel ist die Hochiss im Rofan.

Nochmal hat der Herbst einen warmen Tag aus dem Hut gezaubert, wo ich in Sommerklamotten in den Bergen herumsausen kann. Zu Essen und zu Trinken habe ich genug dabei, 2,5 Liter, da es unterwegs keine Getränkebar gibt. Auch keine mehr für Kühe. Langsam laufe ich weiter, überwinde ein paar Naturparkourhindernisse in Form von Bachreißen mit und ohne Bohlen. Weiter oben stolpere ich fast über Wanderstöcke. Zwei Mädel sitzen in der Sonne und futtern. Jetzt schon! Jetzt schon? Nach ca. 3,5km und 500hm?! Gleich danach erreiche ich die Trausnitzalm (1420m) und befinde mich in einem weitläufigen Kessel unterhalb des Österreichischen Schinder (1808m). Ab hier zieht der Pfad deutlich an, wird rauher und bringt mich rasch an den Gipfelgrat, der an keiner Stelle exponiert ist. Auf den letzten 200 Metern bieten sich mir immer wieder feine Aussichtspunkte mit tollen Tiefblicken. Bald taucht das Kreuz auf, und zum ersten Mal kann ich einen Gipfel im Endspurt nehmen, so sanft führt der Pfad an der Kante hinauf. Kurz vor dem Gipfel ist dann auch schon am Boden die Tafel "Ritzelberg-Alm" zu sehen, mein weiterer Weg.

Erstmal aber genieße ich das Angekommensein, das Alleinsein, das Sitzen im nassen Shirt bei Wärme und Windstille, vor allem aber den Blick auf die vielen Berge ringsum, auf denen ich mich meist zusammen mit meinem Laufkumpel Christian herumgetrieben habe. Der weilt derzeit leider im anderen Bayern, bei den Franken. Auch nicht zu verachten der Blick zu dem nur 1km entfernten Bayerischen Schinder, der über das bekannte Schindertor und -kar zu erreichen ist. Too much Kraxelei für mich, schon gar nicht alleine. War auch nicht geplant. Auch genieße ich meinen mistelfreien Zaubertrunk auf Haferbasis mit geheimen Ingredenzien für die reifende Haut. Und ich genieße die näherkommenden weiblichen Stimmen, weiß ich jetzt doch, dass es auch noch Gipfelfotos von mir geben wird. Ich revanchiere mich und lichte die beiden Grazien auch ab, immer schön den Bayerischen Schinder im Hintergrund. Der Berg, von dem die beiden dachten, sie stünden jetzt schon drauf. Die Mädel setzen sich und beginnen über das zu schwatzen, was sie aus ihren Rucksäcken holen. "Oh, lecker, du hast auch an eine Käsesemmel gedacht ...!". And so on. Das mit dem Genuss wird mir jetzt zu viel, ich mache mich vom Acker.

Sechs Kilometer waren es bis zum Gipfel, etwa ein Drittel der geplanten Strecke. Der Löwenanteil liegt also noch vor mir. Ein nicht steiler, von Grashalmen überwachsener Singletrail windet sich den Hang hinunter. Eigentlich leicht zu laufen, wären da nicht die hübschen aber lästigen mannshohen Latschen, die sich mir in den Weg stellen. Der nächste Parkour, den es zu meistern gilt. Nach vielem Ausweichen, Bücken und Kopfmassagen lande ich auf den Wiesen der Ritzelsberg-Alm. An einer nicht zu übersehenden freistehenden Fichte sind die Schilder für den weiteren Weg angebracht. Valepp und Erzherzog-Joh.-Klause. Dazu Pfeile. Ich laufen den erstbesten Pfad in diese Richtung, sehe, dass es da auch noch weitere nicht ganz so ausgeprägte Verläufe (der Name wird Programm) gibt, und hoffe, den richtigen erwischt zu haben. Er führt rechts entlang eines trockenen Bachbetts, das ich nicht aus den Augen verliere, da mich ein ungutes Gefühl beschleicht. Mein nächstes Etappenziel sollte das Trausnitzmarterl sein, doch das werde ich heute nicht kennenlernen. Ich wähne mich zu weit rechts und traversiere mehrere Male den Hang nach links, aber auch dort gibt es nur mit viel Phantasie Pfade, aber eher solche, auf denen sich Kühe bewegen. Also bleibe ich rechts und laufe durch die Pampas hinunter. Der Bach wird zu meinem Guide. Weiter unten wechsel ich wieder auf seine linke Seite und erreiche einen Jägersitz. Ab hier dann ein deutlicher, wenn auch verwachsener Pfad nach unten.

Ich lande auf einemn Forstweg, der nach rechts leicht abfällt und nach links leicht ansteigt. Ich setze mich und schaue auf meinen kleinen schwarz-weißen Kartenausschnitt. Hilft mir nicht wirklich. Wo ist die Sonne? Rechts oben, auf zwei Uhr. Ok. Valepp liegt im Norden. Also hinter meiner linken Schulter. Auch wenn der Forstweg ansteigt, es sollte die richtige Richtung sein. Irgendwie komisch. Ich laufe los und treffe zwei MTB-ler. Sie seien zuletzt ein langes Stück bergauf gefahren, was mir sagt, dass ich richtig bin. Etwa einen Kilometer weiter dann links ein Schild "Schinder". Hier geht es wohl zum Trausnitzmarterl. Ich laufe den Forstweg weiter und ahne nicht, dass ich gerade einen Trail verpasst habe, der mich direkt hinunter zur Erzherzog-Joh.-Klause gebracht hätte. Dadurch, und auf Grund der Querungen weiter oben, hat sich meine Gesamtstrecke um 4km erhöht. Zum Trost konnte ich auf dem langen flotten Lauf bergab meine Oberschenkel trainieren. Der Forstweg führt mich hinunter zum tiefsten Punkt der Runde (802), zur Brandenberger Ache, die dann in Bayern Grundache heißt. Oftmals einfach nur Valepp genannt. Das Rauschen wird lauter, über eine Brücke erreiche ich nach 17km die Erzherzog-Johann-Klause, ebenfalls erstmal dauerhaft geschlossen. Dort endlich mal wieder ein Täfelchen, Valepp. Ich laufe einen kurzen Anstieg hoch, weiter ein ganzes Stück auf einem Forstweg und treffe nach 18,5km auf das nächstes Schildchen "Valepp". Deutlich zeigt es auf einen Trail, der links weggeht: Das Tor in eine zauberhafte Landschaft, wie ich sie als Trailrunner noch nicht erlebt habe.

Nach einem Stück bergab erreiche ich einen sehr schmalen, teils brüchigen Pfad, der mich wenige Meter oberhalb der smaragdgrünen kristallklaren Valepp in ein felsiges Flußtal führt. Es ist nahezu windstill, und die Kühle, die mich hier empfängt, empfinde ich als angenehm, war ich doch sehr aufgeheizt durch den langen Lauf auf dem Forstweg. Bald bin ich mit dem Bach auf Du und Du, laufe auf Augenhöhe mit ihm, wenngleich stromaufwärts. Ich verabschiede mich von ihm, denn von jetzt an zieht das Steiglein leicht an. Es führt mich vorbei an Felsen und über Bachreißen. Die wenig gepflegten Bolen könnten bei Nässe tückisch werden. In der Vorbereitung dieser Tour hatte ich mich nicht mit diesem Streckenabschnitt befasst, um so überraschter bin ich, hier nochmal alpines Gelände anzutreffen, das teilweise ausgesetzt und nicht selten mit Drahtseilen versichert ist. Bei Nässe sicherlich notwendig, heute aber ist der Seig überwiegend trocken. Glücklich bin ich, weil ich für diese Klamm einen guten Tag erwischt habe. Immer wieder bleibe ich stehen, staune und freue mich wie ein Schneekönig. Fast unmerklich gewinnt der Steig an Höhe, bleibt aber schmal und führt oftmals an Felsen entlang. Von der gegenüberliegenden Steilwand ertönt das Röhren von Hirschen, und verstärkt durch die Enge des Tals durchdringt der Schall Mark und Knochen. Ich stelle mir vor, es seien Bären, und bin froh, auf der richtigen Seite unterwegs zu sein. Drüben auch ein zappeliges weißes Band, ein schmaler Wasserfall, der fast senkerecht herunterfällt.

Mit zunehmender Höhe werden die exponierten Stellen mehr, entsprechend muss ich meine Konzentration hoch halten. Auf halber Strecke entfernt sich der Pfad vom Hang und führt über eine sonnendurchflutete Lichtung. Entspannung und Aufwärmen. Fein getaktet, denn gleich danach geht es wieder zurück in alpines Gelände und entlang steil abfallender Wände. Bald beruhigt sich dieses Szenario und der Weg führt in lichten Wald. Schritt für Schritt wurde ich 200 Meter in die Höhe getragen. Tief fällt der Blick zurück und hinunter zur Valepp. Noch ein Stückchen geht es locker über den Pfad, dann einen letzten Kilometer über Asphalt zum Parkplatz, zum Innehalten.

Ich schließe die Augen, denn mit geschlossen Augen sehe ich mehr. Braunbären, wie sie röhren, die gurgelnden Geister im Kristallwasser, die Steinmännchen, Skulpturen, geformt von der Natur. Berggeister, die sich tuschelnd vor mir verstecken, meine Engelschar, die mich auf meinen Runden begleitet und auf mich aufpasst.

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Während ich dies schreibe, erreicht mich eine traurige Nachricht: Tom Petty verstarb mit 66 Jahren.
Rest in Peace: Tom Petty - Learning To Fly
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Tief beeindruck hat mich diese heutige Runde, zumal ich auf das Ende nicht gefasst war. Hinter mir liegen 24km und laut TomTom 1692 Höhenmeter. Die aber zweifle ich sehr an. Mehr als 1200 bis 1300hm waren es sicher nicht. Ist aber auch nicht wichtig. Heute zählt das Hochgefühl, das schwer messbar ist.

Bis zum nächsten Mal.

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