Kramerspitz - Überschreitung

Winni Mühlbauer - Trailrunning - Kramer Überschreitung am 24.10.16


24.10.16
Vom Wind gebeutelt
Winni + Christian

Am späten Sonntagnachmittag erhalte ich von Christian eine Mail. Für den ins Auge gefassten morgigen Montag macht er vier feine Vorschläge. Einen zieht er vor: "Ich schlage daher den Kramer vor. Ist halt bergauf ein wenig anstrengend - aber mit tollem Panorama und der vollen Föhndröhnung". Bingo! Das war auch meine Wunschrunde für diesen als warm angekündigten Tag, zumal ich diese Überschreitung in guter Erinnerung habe.

Auf der Fahrt nach GAP überlegen wir uns, ob wir den Kramer gegen den Uhrzeigersinn überschreiten sollen, oder, wie von Christian präferiert, rauf übers Gelbe Gwänd und runter auf dem Alpensteig und Kreuzweg. Er befürchtet, dass noch Schneereste auf der Nordseite liegen, vor allem auf der Traverse unterhalb des Vorgipfels. In der Tat wäre das unlustig. Nach Eschenlohe kommt der Kramer ins Blickfeld, und zu unserer Freude ist kein Schnee zu sehen. Wir entscheiden uns für die Überschreitung via Sankt Martinshütte.

Ausgangspunkt ist die "Windbeutelalm" am Kramerplateauweg. Dieser Wanderweg in schönster Natur ist auch im Winter eine Reise wert, wenn die Sonne scheint. Entsprechend hat auch der Kramer eine sonnenexponierte Lage, und Christian hat Recht, wenn er sagt, dass dieser Berg ideal fürs Frühjahr und spät im Jahr ist. Allerdings ist auch er schon im Schnee auf dem nordseitigen Pfad unterhalb des Vorgipfels herumgestapft. Vom Parkplatz aus laufen wir rechts auf dem Waldlehrpfad eben dahin, biegen dann an der Tafel Sankt Martinshütte links auf den Wirtschaftsweg ein, der relativ steil im Wald nach oben zieht. Nach etwa 15 Minuten spuckt uns der Wald am Grasberg aus, und wir stehen oberhalb der Martinshütte (1020hm) mit ihrer großen Terrasse und ihrem noch größeren Panorama: Guckt selbst: Berggaststätte St. Martin am Grasberg.

Zum Verweilen sind wir nicht hier und laufen gleich weiter. Zunächst steil, dann gut laufbar, bringt uns der schmale Pfad zum Abzweiger in Richtung Königsstand (1435m). Unterwegs passieren wir die Felsenkanzel, ein über dem Abgrund hängender "Aussichtskorb". Den Königsstand ereichen wir nach nur einem Kilometer in leichtem Auf und Ab, und schauen hinüber ins Estergebirge, wo Christian und ich genau vor einem Jahr ebenfalls bei schönstem Wetter unterwegs waren: Von der Hohen Kiste zum Hohen Fricken.

Zurück beim Abzweiger Richtung Kramer wird es steil und schrofig. Meine Erinnerung an diese Passage war verblasst, ich dachte, sie sei weniger steil und kürzer. Ein leichter milder Wind zieht eng an den Hang gedrückt geräuschlos mit uns nach oben. Erwartet hatten wir, dass er hier schon pfeifen würde. Ein ganzes Stück weiter oben findet unser Kraxeln und Steigen ein Ende. Der Wind mausert sich und beginnt in den Felswänden und Fichten zu fauchen. Zwischen Latschen geht es wieder trailig und weniger steil dahin, den Kramer schon im Blick. Nur noch 15 Minuten, rufe ich Christian augenzwinkernd zu, nur noch ein paar Höhenmeter, gleich ums Eck rum; ein Trugschluß, wie so oft. Auch der Kramer täuscht. Wohl mit Absicht, denn der langgezogene Bergkamm mit seinen Neben-, Vor- und Hauptgipfeln - ein richtiger Kramerladen halt - hält eine Überraschung bereit: ein markantes Gipfelchen mit einem schlichten Holzkreuz, das Einheimische Katzenkopf (1817m) nennen und das oft übersehen wird, da der Zustieg nicht beschildert ist. Auf ihm stehen wir und blicken auf die fernen Bergketten. Wenige Schritten bringen uns auf eine schmale grasbewachsene Naturplattform. Dort senkt sich unser Blick und wir schauen tief hinunter auf unseren Weiterweg, der sich im weiteren Verlauf unterhalb des namenlosen Vorgipfels in einem Gegenanstieg durchs Roßkar Richtung Kramer zieht. Großes Kino!

Über schrofige und ausgewaschene sandige Passagen steigen wir erstmal steil hinunter und laufen dann die ansteigende Traverse nach oben. Der Pfad schwenkt nach links und es wird wieder grün. Von Wind keine Spur. Das ändert sich oben am Grat. Hier tobt er sich aus, schiebt, bremst und beutelt uns. Einen Diopter zum Nachjustieren habe ich nicht, ich mache das mit meinen Armen. Christian ist schon wieder vor gelaufen. Geht es auf Gipfel zu, ist er nicht zu bremsen. Während ich noch über die Felsen kraxle und dem Kreuz entgegenhechel, steht er schon oben. Den Wind aber konnte auch er nicht abschütteln, und so beschließen wir, noch nicht zu Mittag zu essen, allenfalls den Nachtisch zu genießen: während Garmisch-Partenkirchen still zu unseren Füßen liegt, baut sich darüber imposant das Wettersteingebirge mit der Zugspitze auf.

Kaum Besuch hat das große Metalkreuz (1985m) auf dem Kramer heute, auch auf dem nur wenige Minuten entfernten höchsten Punkt steht heute keiner. Christian zeigt Richtung Wetterstein, nach links, und schwelgt in Möglichkeiten, wo wir hier noch laufen könnten, auch im Winter weiter unten. Uns wird kalt, auch ohne den Gedanken an die kalte Jahreszeit, denn noch immer bläst der Wind. Wir machen uns auf in Richtung Stepbergalm (1592m). Vorbei an einigen seilversicherten Stellen erreichen wir den gut laufbaren Kramersteig, auf dem es erstmal ohne Höhenverlust flowig dahingeht. Dann noch ein steiler Geröll- und anschließender Grashang bringen uns hinunter zur Alm, die leider schon geschlossen hat. Auch der Wasserhahn ist abgedreht, so dass wir unsere Trinkblasen nicht nachfüllen können. Irgendwo auf dem Weg hierher hat uns der Wind wieder verlassen, die Sonne aber blieb treuer Begleiter.

Wählte ich bei meinem ersten Lauf hier am Kramer den Weiterweg übers Gelbe Gwänd, so entschieden wir uns heute für den Alpensteig. Und das war gut so. Nach einem flachen Gegenanstieg beginnt ein langer lustiger Downhill auf einem Singletrail, auf dem wir mit viel Flow hinuntersausen. Weit unten geht es links oder rechts, wo aber der Kreuzweg genau ist, wissen wir nicht. Müssen wir auch nicht, denn egal, wie wir laufen, wir landen auf dem Kramerplateauweg, der uns wieder zur kaum vom Wind gebeutelten Alm bringt. Ein weiterer spannender und lustvoller Trailtag liegt hinter uns, einer mehr, der uns glücklich gemacht hat, wenngleich ein wenig Wehmut aufkam, beim Blick auf den Kalender. Wird uns Petrus noch ein, zwei oder mehr Tage schenken, an denen wir uns bei milden Temperaturen oben in den Berg austoben können?

Noch der Blick auf die HansHans (Copyright by Christian): Die Runde war 17,7km lang und wir hatten 1610hm in den Beinen.

Bis zum nächsten Mal.
In the meantime: Wisdom - Take Me To Neverland

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Blick vom Katzenkopf auf Vorgipfel und den Kramer


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