Trailrunning - Schildenstein - 3.11.15

Winni Mühlbauer - Trailrunning - Schildenstein und Blaubergalm - 3.11.15


Lied passend zur Tour: Von den blauen Bergen ...

3.11.16
Hier war ich schon mal,
hier kenne ich mich aus.
Winni

Ganze fünf Autos stehen auf dem riesigen Parkplatz Siebenhütten unweit Wildbad Kreuth. Hier war ich schon mal, hier kenne ich mich aus. Wozu auf die Karte gucken? In der Sonne ziehe ich mich um und laufe gegen 10:30 Uhr los. Ohne Stöcke, denn einen habe ich beim Abstieg vom Hohen Fricken geschrottet. Der erste gelbe Wegweiser kommt, nur ein Täfelchen. Ich lese Köningsalm. Passt! Im Schatten laufe ich in diese Richtung, laufe und laufe, und bald frage ich mich, wann es denn endlich nach oben geht. Oben ist es nämlich warm, unten kalt. Kopfstandwetterlage. Die Luftfeuchtigkeit liegt bei 29 Prozent. Es geht aber nicht nach oben. Dafür kommt ein weiteres gelbes Schildchen: Königsalm-Parkplatz. Sch...! Immerhin Königsalm stimmt. Umkehren wäre blöd, da die halbe Strecke schon hinter mir liegt. Also weiter im kalten Schatten. Der Parkplatz kommt und von ihm geht ein Forstweg ab, angenehm steil. Noch immer weiß ich nichts von einem supertollen Trail, der 200m weiter nach der ersten Tafel am Siebenhüttenparkplatz losgegangen wäre. Habe ich mich nicht mal lobend über die Beschilderung im Tegernseer Raum geäußert? Dieses Lob muss ich jetzt leider wieder einkassieren. Vielleicht hat aber auch nur die Farbe für "-Parkplatz" nicht mehr gereicht.

Exkurs:
Ein Professor der Geologie macht mit einer Gruppe Studenten eine Zweitagestour durch die Wüste. Die Wasservorräte sind entsprechend bemessen. Nach zwei Tagen stellen sie fest, dass sie sich verlaufen haben. Das Wasser wird knapp. Auf einer Anhöhe entdeckt einer der Studenten in der Ferne eine Oase. Wir sind gerettet, ruft er und will sich sogleich mit den anderen auf den Weg dorthin machen. Der Experte aber sagt, das sei nicht der richtige Weg und beharrt darauf, weiter in Richtung Westen zu gehen: "Ich kenne mich hier aus". Es kommt zu einem Streit und die Gruppe trennt sich. Die Studenten - die an das glauben, was sie mit eigenen Augen sehen - gehen weiter in Richtung Oase, der Experte Richtung Westen. Nach einem halben Tagesmarsch erreichen die Studenten eine kleine Oase mit einer Quelle und sind gerettet. Von dem Experten hat man nie wieder gehört.

Seit ich diese Metapher, die uns mit den eigenen Glaubenssätzen (engl. beliefs) konfrontiert, kenne, habe ich ein sehr gespaltenes Verhältnis zu Experten. Hätte ich es heute nur auch gehabt *grins*.

Erstmal aber bin ich froh, dass es bergauf geht und hinein in die Sonne. Immerhin bin auf sportlichem Gelände unterwegs, denn 1984 fanden auf diesem Forstweg die Weltmeisterschaften im Rennrodeln statt. Zwischen welligen grünen Almwiesen laufe ich hoch zur Königsalm (1115m). Das fast schon mondän anmutende Kavaliershaus von Max I. liegt noch im Schatten, die Alm in der Sonne. Gleich danach geht es felsig und steil hoch zum Graseck. Und was lese ich hier auf einem Wegweiser der nach links zeigt? Siebenhüttenparkplatz. Neejetzt! Wie setzt man Ärger in Energie um? Indem man Gas gibt. Das mache ich, aber nicht lange, weil es gleich wieder über sehr spitziges und scharfkantiges Felsgelände geht. Abgelutschte Kalksteine sind hier so selten wie ein Edelweiß. Dass es auf dieser geringen Höhe schon alpin werde würde, hatte ich nicht erwartet.

Mal sanft, mal bockig, bringt mich der Trail an den Fuß des Schildenstein. 15 Minuten sind es zum Gipfel. Steil windet sich die Latschengasse nach oben, bald wird es sehr steil und schrofig. Kurz vor dem Gipfel erreiche ich eine hohe Stufe, deren Kante, eine ausgewaschene dicke Wurzel, mir an die Brust reicht. Ich imaginiere ein Weißbier auf diese Stufe, während einige Wanderer am Gipfel zu mir herunter schauen. Das Weißbier läuft mir davon. Mit Hilfe meiner Arme ziehe ich mich hoch und laufe hinterher. Ein paar Schritte noch und ich stehe am Gipfel. Schon wieder einer. Der Ausblick aber wieder völlig anders. Gleich gegenüber steht ein riesiger Klotz, der Guffert, unweit von ihm der Unnütz. Der Achensee glitzert herüber. Im Westen ragt die Mondscheinspitze heraus, dahinter die Bergkette des Karwendels.

Auch den Schafreuter kann ich ausmachen, und mit ihm blicke ich zurück auf die vielen wunderschönen und spannenden Trailläufe in diesem Jahr, mal allein, mal mit Christian, die ich - toitoitoi - heil hinter mich gebracht habe und jetzt in der Erinnerung mit mir trage.

Mit dem Blick auf die näher gelegende Halserspitze am Ende der Blauberge wage ich einen Blick ins nächste Jahr. Ob es die Halserspitze wird, oder nur der Blaubergkamm, lasse ich noch offen. Die Frage, was will ich als Trailrunner, ist noch nicht geklärt. Trails ohne exponierte Stellen liegen mir mehr am Herzen; zu selten war ich früher in den Bergen wandern, als dass ich sagen könnte, dass mir ausgesetzte Stellen im Nachhinein Glücksgefühle bescheren.

Ein Stückchen will ich heute noch in Richtung Blaubergkamm laufen, dazu muss ich aber erstmal hier wieder runter. Auf halbem Weg nach unten vermisse ich die hohe Stufe. Irgendwo auf dem Weg nach oben muss ich falsch abgebogen sein. Wieder unten orientiere ich mich nach links Richtung Blaubergalm.

Dieser Gebirgszug hat seinen Namen übrigens Käpt'n Blaubär zu verdanken, der es geschafft hatte, allerdings nur dieses eine Mal, seinen an einer Felsklippe gestrandeten Fischkutter Elvira zu verlassen, um an den Tegernsee zu reisen. Er hoffte, hier ein feines ruhiges Plätzchen zum alt werden zu finden. Kaum angekommen, vermisste er die Rauheit der Klippe und begab sich auf die Suche nach Felsigem in den Bergen. Er folgte einem Bachlauf und entdeckte die Wolfsschlucht. Über einen steilen und gefährlichen Pfad, der teilweise mit alten Schiffstauen gesichert ist, stieg er zum Schildenstein hoch und weiter einen Kamm hinauf. An einer besonders schönen Stelle lies er von kräftigen Kerlen aus Kreuth eine kleine Almhütte auf österreichischem Territorium errichten, die Blaubär-Alm, und etwas oberhalb von ihr ein Kreuz mit der Aufschrift "Käpt'n Blaubär was here". Kaum hatte die Gemeinde Aachensee Wind davon bekommen, entfernte sie das Schildchen vom Kreuz und taufte die Berge und die Almhütte um.

Wer das nicht glaubt, der darf gerne gesponnenes Seemannsgarn hören: Der Kamm der Blauberge, die das Tegernseer-Tal nach Süden wie ein großer Riegel absperrt, schimmert bei Dunst im Gegenlicht blau. Käpt'n Blaubärs Enkelkinder, die Bärchen Lukas, Daniel und Vanessa, schütteln sich gerade vor Lachen ob dieses Blödsinns. Sehen doch alle Bergketten im Gegenlicht blau aus. >>> Die beiden sehen das auch so.

Der Trail vom Fuße des Schildensteins hinüber zur Blauberg-Alm macht Spaß. Habe ich beim Anstieg hierauf noch die Wurzeln vermisst, hier sind sie. Die Landschaft um mich herum ist sehr almig, und alles leuchtet in der Nachmittagssonne. Es geht vorbei am Abzweiger zur Wolfsschlucht, und dann, irgendwie schade, taucht auch schon die Blauberg-Alm auf, die leider schon geschlossen hat. Drei Mountainbikes sind angelehnt. Oberhalb entdecke ich ein schlichtes Holzkreuz, und schon mache mich auf dem Weg, will sehen, ob das der Predigtstuhl ist. Herausgefunden habe ich das nicht, jedenfalls ist das hier mein heutiges Etappenziel. Noch immer in Sommerklamotten mache ich mich auf den Rückweg, springe über Stock und Stein, die hier relativ zahm sind. Aber kaum habe ich den Schildenstein passiert, sind sie wieder da, die spitzen und scharfkantigen Felsen. Auf diesem Abschnitt hinuter bis zum Graseck sind sie eher charakteristisch, nur selten ist der Trail glattgeschleckt zum Tempo machen. Ab dem Graseck laufe ich dann den langen Trail Richtung Siebenhütten hinunter, den ich beim Hochlaufen übersehen hatte. Auch hier geht es erstmal noch über spitzes Gestein, dann aber wird der Trail immer flowiger. Ich laufe direkt auf den Roß- und Buchstein zu, der markante Zweierspitz mit der Tegernseer Nesthütte, der weit vor mir herausragt, laufe hinein in den herbstlichen Wald und über trockenes Laub, und schwuppdiwupp spuckt mich dieser Supertrail fast am Siebenhüttenparkplatz wieder aus. Nach 200 Metern kommt der Irrwegweiser, über den ich mich jetzt nicht aufregen mag, zu schön war dieser Trampelpfadlauf heute in den Tegernseer Bergen.

Bis zum nächsten Mal.
In the meantime: Ben Nichols "Davy Brown"







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Schildenstein - Blaubergalm - 3.11.15

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