Winter Trailrunning - Rofanspitze

Winni Mühlbauer- Trailrunning Rofan - Rofanspitze - 13.1.18


13.01.18
Direkt in den Himmel
Winni

Was für ein Auftakt! Mein bevorzugter Wetterdienst MetGIS.com sagte am Freitag für die Rofanspitze (2259m) von Samstag bis Montag ganztägig strahlend blauen Himmel bei leichten Minusgraden und schwachen Wind aus Südwest bis Nordwest voraus. Das Kribbeln in mir hätte ich bis Montag nicht ausgehalten, also fahre ich am Samstag los. München Suppe. Die lichtet sich am Tegernsee, den ich bei wenig Verkehr in 45 Minuten erreiche. Die halbe Strecke. Am Achensee wieder Suppe. Um 10:45 ruckelt die Rofan-Seilbahn los, 5 Minuten später Ohs! und Ahs! Dann ein Gespräch: "Wenn'st heut was Gscheits willst, muast 3000 Euro ausgeben", meint einer zu einer neuen Skiausrüstung, ein anderer hält mit 2000 Euro dagegen. In der Gondel nur Skifahrer und Tourenskigeher. Und einer, der in Wintertrailschuhen steckt und sich sein Grinsen nicht verkneifen kann.

Kaum aus der Gondel ausgestiegen, bin ich schon euphorisiert; die weißen Bergkulissen um mich herum, das Blau darüber, die Wärme, jetzt, Mitte Januar auf knapp 1800m Höhe. Ich laufe los. Der Schnee butterweich. Es geht entlang einer kurzen Piste, vorbei an einem Schild, das vorbildlich einen Winterwanderweg ausweist. Und schon überhole ich eine Gruppe Tourengeher, die stoisch mit gesenktem Kopf hintereinander her .... Nein, laufen tun die nicht, eher schleichen. Und schon weiß ich, warum mich diese Art der Fortbewegung nie angezogen hat.

Ich bin das nicht. So schön und meditativ es sicherlich ist. Mir fehlt die Dynamik, das Ungestüme, der Schmiss. Wenngleich das Leise auch zu meinem Leben gehört - ich höre im Alltag kaum Musik -, so sehr schätze ich beim Laufen in den Bergen atmosphärischen Metal epischer Natur. Sich langsam auf Brettern mit Fell bergauf zu bewegen und Metal passen nun mal nicht nicht zusammen.

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Angesprochen auf meine Vorliebe für epischen Dark Metal, vielleicht eine Erklärung: Es ist bekannt, dass nicht alle Menschen polyphone Musikstrukturen rezipieren können. Auch ich gehörte dazu. Durch einen Freund kam ich zu Richard Wagner. Zehn Jahre lang zogen mich seine Werke in den Bann. Vor allem die gut fünfzehnstündige Oper "Der Ring des Nibelungen", die ich mir nach und nach erarbeitete. Mühsam, Schritt für Schritt, Takt für Takt. Tiefenentspannt mit geschlossenen Augen im Bett ging ich tiefer und tiefer in diese Mehrstimmigkeit. Bis ich eingschlief. Nach diesen zehn Jahre entdeckte ich die Metalband Manowar, deren Mastermind Joey DeMaio ein bekennender Wagnerfan ist: Manowar: Master of the Wind - Lyrics ist. Tatsächlich wird von Anhängern des True Metal Wagner als Wegbereiter oder Entdecker des Metals gesehen. Hört man den 1 . Aktes von Die Walküre, kann man das vielleicht nachvollziehen. Jedenfalls begann ich paralell zu Wagner, mich auch mit den polyphonen Klangwänden verschiedener Metal-Genres auseinanderzusetzen, allen voran Epic Pagan Metal und symphonischen Melodic Dark Metal. Musik, aufgeladen mit Bombast und Epos, die das Großartige einer fantastischen Bergwelt ins Erhabene steigert und mich Laufen macht.
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Bald habe ich ein paar Gruppen Skitourengeher hinter mir gelassen und folge den Doppelspuren, die andere mit Skiern vor mir in den weißen Teppich gelegt haben. Der Schnee ist weich, immer wieder versinke ich und zerstöre diese Spuren. Wo ich kann, weiche ich aus auf solche von Schneeschuhgehern, die hier auch zahlreich unterwegs sind. Um mich herum eine zauberhafte Winterlandschaft und beeindruckende Felsformationen. Immer wieder bleibe ich stehen und staune. Die Fotos sprechen für sich. Ich erreiche die ersten gelben Wandertafeln und bin ein wenig irritiert, obwohl ich im Oktober 2017 schon mal hier war. Drei Spuren führen hier weiter. Links geht es u.a. zur Rofanspitze, rechts zur Bayreuther Hütte. Der mittlere Weg führt ein wenig bergab und ist kaum gespurt. Alle Skitourengeher sind auf dem Weg rechts unterwegs. Ich gehe links, so wie ausgeschildert - und lande in kaum gespurtem unwegsamen Gebiet. Da ich aber beim Fotografieren von einem auf Skiern überholt werde, denke ich, dass ich richtig bin. Das Gelände wird immer steiler und mir wird immer unwohler. Ich rufe zu dem anderen hinauf, ob es hier zur Rofanspitze geht. Er verneint und zeigt zu den Skitourengehern. Ok, den Hang wieder zurückgekrabbelt und hinunter zu den anderen. Erst als ich von unten ein Foto mache (das 5. im Hochformat), sehe ich, dass das dort oben nicht ganz ungefährlich war. Zwei Tourengeher klären mich auf, was den Wegverlauf betrifft. Die Tafel hatte auf den Sommerweg gezeigt (die mittlere Spur), der aber in einer Art Tal unterhalb von steilen Wänden entlang führt und lawinengefährdet ist. Hier ist der Winterweg, der weiter oben auf den Sommerweg trifft.

Wieder wird es steil, und bei jedem Schritt rutsche ich etwas ab. So wühle ich mich den Grubasteig hoch und erreiche die Grubahochmulde. Weiß wohin mein Auge blickt. Weit vor mir die Rofanspitze, rechts davon der Sagzahn und noch weiter rechts der breite Felsaufbau des Vorderen Sonnwendjochs. Das alles hatte ich im Sinn, als ich - der Rofanfan - wusste, dass ich auch im Winter nochmal hier laufen werde. So schön allerdings hatte ich es mir nicht ausgemalt. Und dass ich ohne Handschuhe mit nach oben geschobenen Ärmeln hier unterwegs sein kann, empfinde ich als Riesenglück. Die Gefühlsbäder ... unbeschreiblich!

Langsam nimmt die Steigung zu, auch die Neigung des Hanges, den es bis zum Gipfel zu meistern gilt. Wieder mache ich beim Laufen im Winter eine neue Erfahrung: die von den Tourengehern in den Hang gelegten Spuren sind nicht auf gleicher Höhe. Die talwärts gelegte Spur ist tiefer. Das ist blöd, da ich mit dem hinteren Fuß dauernd abrutsche. Ich komme einfach nicht zum Laufen. Irgendwann setze ich den hinteren Fuß leicht talwärts gerichtet. Und hey ...! Das funktioniert supergut. So kann ich auf den butterweichen und versetzten Spuren gut laufen.

Ich blicke nach vorne, folge dem Trail, der mich direkt in den Himmel bringt.

Nicht ganz, dazwischen liegt die Rofanspitze. Der Wind hat weiter zugelegt. Eiskalt rüttelt er an mir. Ich klettere auf den höchsten Punkt, der oberhalb des Gipfels liegt. Ein Platz mit herrlicher Rundumsicht. An einem Tag, der schöner nicht sein könnte. Nur die Nordwände im Schatten, dominant die Spitze der Hochiss. Panoramen zum Fingerabschlecken. Zuckrig und zackig das Karwendel und alles, soweit das nimmersatte Auge reicht. Und der Wind singt dazu sein Lied. Wenn er denn nicht so kalt wäre! Wie mein Riegel geschmeckt hat, erinnere ich nicht mehr. Muss ich einfach so hineingemampft haben. Hurtig klettere ich die paar Felsen wieder hinunter und freue mich auf die 1300 Höhenmeter hinunter ins Tal. Noch kann ich nicht einschätzen, wie ich anfangs auf den schmalen, versetzten Skispuren laufen kann. Der Übermut sitzt mir im Nacken und los geht's: In großen Schritten und mit in der Luft herumfuchtelnden Armen gebe ich Gas, und siehe da, es funktioniert. So, wie Wellenreiter mit einem hochgeworfen Arm balancieren, fliegt mein talwärtsgerichter linker Arm immer wieder weit nach oben und gleicht die Schräge aus. Nur einmal lande ich Schnee. Jedenfalls war es eine Riesengaudi hinunter bis zur Erfurter Hütte (1834m). Spaß hatten sicherlich auch die Tourengeher, die talwärts an mir vorbei hinuntergerauscht sind.

An der Hütte muss ich fragen, welche der beiden Pisten (eine schwarze und eine rote) zur Talstation geht. Es geht rechts herum weiter, also die rote. Obwohl Samstag und ein Traumtag ist, sind nur wenige Skifahrer unterwegs. (Am Parkplatz erfahre ich, dass die Tageskarte hier zwar günstig ist, aber die beiden Piste schnell langweilig werden). Langweilig wird es mir nicht, wenngleich sich die Szenerie durch den Bergwald stark verändert hat. Imposant jedoch das pyramidenförmige Ebner Joch (1957), das von hier gesehen recht bizarr wirkt, jedoch nur als 2er-Bergwanderung eingestuft wird. Mal für den Sommer vormerken. Ich laufe weiter bergab, immer schön am linken Rand der Piste entlang und quere die Rofan Seilbahn. Der Schnee ist griffig und gut zu laufen.

Ab der fast verwaisten Sessellift-Talstation der schwarzen Abfahrt ist dann der weitere Ziehweg gesperrt. Der müde wirkende Wachhabende am Lift freut sich, dass da einer mit ihm sprechen will. Ob ich da hinunterlaufen darf, frage ich, und werde gefragt, ob ich Ski dabei hätte. Trailrunner, die unbekannten Wesen! Derzeit ist die Abfahrt ins Tal aufgrund aperer Stellen nicht möglich, daher die Sperre. Also weiter, mit Stöpsel in den Ohren. Und erhöhter Achtsamkeit, weil Verbotsschilder gerne ignoriert werden. Auch von mir. Bin mal im Winter die Rodelbahn am Blomberg in Fahrtrichtung nach oben gelaufen und habe andere und mich gefährdet.

Nicht lange, und schon rauschen die ersten zwei auf Skiern knapp an mir vorbei, weitere folgen. In einer Kurve an einer eiskalten Wand hängen Eiszapfen und -skulpturen. Der schmaler und flacher werdende Ziehweg führt vorbei an der Buchauer Alm, dehnt sich wie Kaugummi und apert mehr und mehr aus. In einem großen Bogen laufe ich wieder nach Norden in Richtung der Stahlseile und lande bald an der Talstation.

Mit 13km war die Runde nicht lang, mit 600 Höhenmeter im Anstieg (mit Verhatscher) auch nicht anspruchsvoll, dennoch habe ich jede Minute und jeden Meter genossen. Noch immer bin ich berauscht von den Sinneseindrücken. Schade, dass dort oben keine Schneeschuhgänger auf anderen Routen unterwegs sind, z.B. hinüber zur Dalfazalm und hinauf zum Steinernen Tor. Andererseits hat das Rofan und seine im Sommer stark frequentierten Routen auch mal seine Ruhe verdient. Die eine aber, mit einem vorbildlichen Lawinen-Lehrpfad (mehrere große Tafeln) hinauf zum zweithöchsten Gipfel ... bei schönem Wetter ...
Bis bald.
In the meantime: Wintersun - Land Of Snow And Sorrow



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Blick auf den Sagzahn


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